Bewegung für die Psyche: „Bewegung in der Vorsorge für seelische Gesundheit wichtig“

Dr. Karl Heinz Lippl, chefärztlicher Leiter des PSD Nord, sprach über das Thema „Bewegung für die Psyche“ in der „Radio Burgenland Sprechstunde“ am 3. Oktober 2024 mit ORF-Moderatorin Nicole Aigner.    

Der PSD Burgenland (Psychosozialer Dienst) ist zuständig für Menschen mit psychischen Erkrankungen und in Lebenskrisen sowie deren Angehörigen. Dr. Karl Heinz Lippl erklärt: „Bei Problemen kann man den PSD direkt kontaktieren, etwa telefonisch. Außerdem sind wir beispielsweise mit Allgemeinmedizinern und Fachärzten vernetzt, und wir sind auch über eine Zuweisung erreichbar.“ Der PSD ist im Akutfall für die Betroffenen zuständig. „Die Prävention spielt dabei in unserer Gesellschaft noch immer eine untergeordnete Rolle“, so Dr. Lippl. Bewegung und Sport ist in der Gesundheitsvorsorge ein wichtiger Faktor. „Alles was für die Gesundheit, und auch für die seelische Gesundheit, förderlich ist, ist wichtig und notwendig. Bewegung ist als Vorsorge für die seelische Gesundheit gleichbedeutend wie für alle anderen Krankheiten“, erklärt der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie.  

Bewegung darf nicht überfordern

Im PSD werden auch Bewegungsgruppen angeboten. „Es ist aus psychiatrischer Sicht wichtig, dass die Menschen ihr Zimmer verlassen und nach draußen gehen um ihren Körper mit der nötigen Energie und Sauerstoff versorgen. Es ist allerdings zu betonen, dass wir mit Menschen mit konkreten Krankheitsbildern zu tun haben. Da ist dann wichtig zu wissen, was jedem Einzelnen zuzumuten ist. Da bieten wir auch eine Angehörigenberatung an“, so Dr. Lippl. Es sei nämlich wichtig, die Betroffenen auch nicht zu überfordern: „Wir erleben es auch, dass die Betroffenen zu sehr dazu gedrängt werden beispielsweise spazieren zu gehen. Wenn das nicht zum Zustand des Krankheitsbildes passt, kann das sogar eine Gefährdung des Betroffenen sein.“ Grundsätzlich sei Bewegung also zu befürworten, aber es sollte mit den behandelnden Personen besprochen werden.

Bei depressiven Patient*innen müsse man sehr behutsam vorgehen. „In einer mittelgradig bis schweren depressiven Episode können sich die Betroffenen nicht normal bewegen. In so einer Situation sollte man die Person nicht dazu drängen, sich zu bewegen, da man sie damit überfordert. Wenn Familien in solchen Situationen zu mir kommen, erlaube ich dem Patienten nichts zu machen und unterstütze die Familie dabei, die nächsten Schritte langsam zu tun. Gerade bei depressiven Patienten ist es wichtig sie nicht zu überfordern, weil das sonst sehr tragisch enden könnte“, erklärt Dr. Lippl.

Bewegung und Sucht

Bei Betroffenen von Suchterkrankungen hänge es von der Form der Suchterkrankung ab, inwiefern Bewegung eine gute Idee sei. „Bei einer Suchterkrankung mit starker körperlicher Störung ist das natürlich schwierig. Bei den Suchterkrankungen wäre Sport vor allem im Bereich der Prävention wichtig. Sucht ist oft eine Strategie, um mit dem Leben zurechtzukommen und die eigenen Grenzen zu spüren. Das wäre durch sinnvollen und zielgerichteten Sport auch möglich. Daher wäre es vor allem wichtig, junge Menschen davon zu überzeugen, dass man mit Sport und Bewegung auch seine Grenzen erleben kann“, so Dr. Lippl.

Beim Sport sei auch ein gewisses Maß entscheidend. „Der Mensch neigt dazu alles zu missbrauchen. Man kann Rauschmittel missbrauchen, aber man kann sicher auch Sport missbrauchen. Im Bereich des Spitzensports lässt sich sicher die Frage stellen, inwiefern das noch gesund ist“, erklärt der Chefarzt des PSD Nord. Beim Sport als präventive Maßnahme für die seelische Gesundheit sollte es also nicht um Spitzenleistungen gehen, sondern darum, den eigenen Körper besser zu erfahren.

Positive Effekte

Wenn uns Bewegung Freude macht, kommt es zur Ausschüttung von bestimmten Transmittersubstanzen in unserem Hirn. Unser Gehirn teilt uns mit, dass das angenehm ist. Das gemeinsame Erleben und ein Zugehörigkeitsgefühl sei grundsätzlich ein wichtiger Effekt von Sport. „Aber nicht bei allen Sportarten. Es gibt natürlich Sportarten, wo es Sieger und Verlierer gibt und ob das der Seele immer guttut, sei dahingestellt“, so Dr. Lippl. Um Betroffene von psychischen Krankheiten wieder ins Leben zu integrieren, sind viele kleine Schritte notwendig. „Oft arbeiten wir erst einmal lange daran, dass die Patienten überhaupt zu uns kommen können. Dann kommen sie mit uns und anderen Patienten in Kontakt. Dann versuchen wir, sie auch nach draußen zu bewegen. In Eisenstadt sind beispielsweise regelmäßig im Schlosspark mit unseren Patienten“, so Dr. Lippl.

Das Verständnis für psychische Erkrankungen ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ausbaufähig. „Es bessert sich zwar kontinuierlich aber gut ist es noch nicht. Hier ist eben auch die Prävention wichtig, um Menschen mit psychischen Krankheiten nicht auszuschließen. Wir als PSD können dazu auch einen Teil beitragen“, so Dr. Lippl abschließend.