„Sich Hilfe zu holen ist eine Stärke – keine Schwäche“

Im Burgenland bietet der Psychosoziale Dienst (PSD) als Teil der Sozialen Dienste Burgenland (SDB) in seinen Beratungsstellen und zwei Ambulatorien in allen Bezirksvororten umfassende Betreuung und Beratung an. Ziel ist es, Menschen in seelischen Krisen sowie psychiatrisch kranke Menschen rasch, wohnortnah und kostenlos zu unterstützen. Im Jahr 2024 betreute der PSD über 5.000 Patient:innen mit rund 43.000 Kontakten – also Beratungen, Behandlungen, Hausbesuchen oder Therapiesitzungen.

Seit rund einem Jahr leitet Dr.in Michaela Wagner den Psychosozialen Dienst im Südburgenland. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin hat in Wien studiert und ihre Facharztausbildung in Deutschland absolviert.

Niederschwellig und kostenlos

Der PSD versteht sich als niederschwellige Einrichtung: kostenlos, ohne Überweisung und auf Wunsch auch anonym. Ein zentraler Vorteil des Angebots ist das multiprofessionelle Team, das unter einem Dach zusammenarbeitet – bestehend aus Ärzt:innen, Psycholog:innen/Psychotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und Pflegefachkräften. „Man wird nicht von einer Stelle zur nächsten geschickt, sondern kann verschiedene Unterstützungsangebote direkt in Anspruch nehmen. Das erleichtert vieles und hilft, auch schwer erkrankte Menschen gut und über längere Zeiträume multiprofessionell zu betreuen“, erklärt Dr.in Wagner. Angeboten werden Gespräche, sozialarbeiterische und pflegerische Unterstützung, Hausbesuche, aber auch intensive, engmaschige Betreuung in Form des betreuten Einzelwohnens. „Es geht nicht nur um das Behandeln, sondern auch darum, eine Beziehung aufzubauen und zu begleiten. Die Eigenständigkeit soll dadurch so lange wie möglich erhalten bleiben“, so Dr.in Wagner.

Breites Spektrum an Erkrankungen

Das Spektrum der behandelten Erkrankungen ist breit: Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenien gehören ebenso dazu wie akute Krisen. „Es gibt schon saisonale Schwankungen – im Herbst und Winter sehen wir häufiger depressive Erkrankungen – aber grundsätzlich kann jede Form psychischer Erkrankung zu jeder Zeit auftreten“, so Dr.in Wagner. In den vergangenen Jahren sei der Bedarf gestiegen: „Wir leben in Zeiten von Krisen und Unsicherheit. Corona, Inflation, Kriege – das alles führt dazu, dass Ängste und Depressionen zunehmen.“

Gesellschaftliche Vorurteile und Prävention

Wichtig ist Dr.in Michaela Wagner, mit Vorurteilen aufzuräumen. „Psychiatrische Erkrankungen sind keine Einbildung. Die Ursachen sind vielfältig, u.a. herrscht ein Ungleichgewicht im Gehirnstoffwechsel. Die Veränderungen wurden in Studien bildgebend nachgewiesen.“ Der Vergleich sei einfach: „Wenn sich jemand das Bein bricht, würde niemand sagen: ‚Reiß dich zusammen‘. Aber bei Depressionen oder Angststörungen hören wir das noch immer.“

Ein offener Umgang und Aufklärung seien daher entscheidend, ebenso wie Prävention. Beispielhaft dafür ist die Fachstelle Suchtprävention, die ebenfalls bei den SDB angesiedelt ist und Schulungen für Pädagog:innen – beginnend bereits im Kindergarten – anbietet. „Es geht dabei darum, Lebenskompetenzen zu vermitteln. Kinder sollen lernen, mit Emotionen und Konflikten umzugehen – das macht sich Jahre später bezahlt und schützt beispielsweise später vor Suchtverhalten.“

Medien und persönliche Motivation

Auch Medien tragen ihrer Meinung nach Verantwortung. Sie können aufklären und Bewusstsein schaffen, aber auch Unsicherheiten durch negative Berichterstattung verstärken. Soziale Medien spielen eine wesentliche Rolle, erklärt sie: „Wenn Menschen in sozialen Medien ständig perfekte Bilder sehen, fragen sie sich oft: Warum ist mein Leben nicht perfekt? Das kann enormen Druck erzeugen.“

Wagners persönliche Motivation für ihre Arbeit entstand während des Medizinstudiums, als sie in einer Einrichtung für Drogentherapie arbeitete. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal das Fach Psychiatrie wählen werde. Aber ich habe in dieser Zeit gelernt, wie wichtig für eine erfolgreiche Behandlung der Aufbau einer tragfähigen Beziehung, ein wertschätzender und unvoreingenommener Umgang mit Menschen sowie Begleitung sind - daher die Entscheidung für das Fach Psychiatrie. Erfüllend ist, wenn ich Erfolge sehe und Dankbarkeit spüre.“ Zum Aktionstag am 10. Oktober sagt Wagner abschließend: „Viele Menschen empfinden es als Schwäche, sich Hilfe zu holen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Sich Hilfe zu holen, ist eine Stärke – keine Schwäche.“

Der Psychosoziale Dienst Burgenland ist erreichbar unter 05 09 44.
Infos zu den Behandlungs- und Beratungszentren in allen Bezirksvororten finden Sie hier: www.soziale-dienste-burgenland.at